«Petite Messe solennelle»
Der Konzertchor Ostschweiz gastierte in der Ziegelhütte
Es war ein Wagnis: Erstmals in der langen Geschichte der Abonnementskonzerte gastierte ein Ensemble von rund 70 Personen in der Kunsthalle Ziegelhütte, Appenzell. Gegeben wurde die «Petite Messe solennelle» von Rossini.Die Kunsthalle Ziegelhütte ist bekannt als Ort, wo Kammermusik in unterschiedlichster Prägung zelebriert wird. Die Akustik wird von Musikern allgemein geschätzt, weil sie auch sanfteste Töne zulässt.Erstmals wurde nun ein grosser Chor ins Haus geholt: Der Konzertchor Ostschweiz unter Leitung von Roman Walker nahm auf dem alten Brennofen Aufstellung, um das einzigartige Chorwerk von anderthalb Stunden Dauer zu interpretieren. Wer mit den Örtlichkeiten vertraut ist, kann sich leicht vorstellen, dass das Publikum zu beiden Seiten an den Rand gedrängt wurde. Der volle Chorklang entfaltete sich gleichwohl, wenn auch das Auge nicht in dem Masse «mithören» konnte, wie dies üblicherweise geschieht.
Ein ausgewogenes Ensemble
Zu Gehör gebracht wurde die Originalfassung der «Petite Messe solennelle» für Flügel, Harmonium, Soli und Chor. Das Spätwerk des Komponisten erwies sich in seiner romantischen Ausprägung als vielfältige, fein ziselierte Komposition, mit der die Möglichkeiten des erfreulich ausgewogenen Ensembles perfekt gezeigt werden können. Roman Walker, der den Konzertchor Ostschweiz seit dem Herbst 2014 leitet, arbeitete die Feinheiten des Werks engagiert und zielstrebig heraus. Die Sängerinnen und Sänger zeigten sich ausgezeichnet vorbereitet und überzeugten mit hoher Präsenz.
Perfekte Interpretation
Am Flügel agierte in Abweichung vom gedruckten Programm die Pianistin Yvonne Lang, Professorin an der Hochschule Luzern Musik, die kurzfristig hatte einspringen müssen. Sie leistete Grossartiges während der vollen Dauer des Konzerts, denn der Klavierpart ist buchstäblich Ton angebend. Lang interpretierte ihn ausdrucksvoll mit grossem Gefühl; ihr solistisches «Prélude religieux l'Offertoire» geriet zum reinen Hörgenuss. Raphael Holenstein am Harmonium steuerte dezent einen breiteren Klangteppich bei, auf dem die Solisten sich entfalten konnten. Bettina Weder (Alt/Mezzosopran), Letizia Scherrer (Sopran), Simon Witzig (Tenor) und Bernhard Bichler (Bariton) überzeugten mit ihrer gefühlvollen Interpretation der teils komplexen und in sich verwobenen Sätze. Der romantische Gestus zeigte sich vor allem in Belcantopassagen des Tenors, der mit angemessener Zurückhaltung überzeugte.
Der passende Ort?
Die Frage, ob sich die Ziegelhütte für Chorwerke dieser Grössenordnung eignet, ist schwer zu beantworten. Was nicht eingelöst werden kann ist jene Unmittelbarkeit, die sich in Kirchen aus dem direkten Gegenüber von Chor und Zuhörern ergibt. Und die Ziegelhütte ist ein Raum mit sehr kurzem Nachhall, was den Chor weitgehend sich selbst überlässt. Die Ziegelhütte verzeiht keinen Fehler. Die Reaktionen des Publiums liessen erahnen, dass dies auch nicht nötig war.